Ehe für alle – Als gleichgeschlechtliches Paar in Deutschland heiraten

Ehe für alle – Als gleichgeschlechtliches Paar in Deutschland heiraten

Jede 14. neue Ehe ist gleichgeschlechtlich.

Knapp 33.000 homosexuelle Paare haben geheiratet, seitdem das im Herbst 2017 möglich wurde. Ungefähr zwei Drittel von ihnen lebten bereits zuvor in einer eingetragen Lebenspartnerschaft. Das Gesetz ermöglicht es homosexuellen Paaren eine zivilrechtliche Ehe zu führen und stellt sie mit anderen Ehepaaren gleich. 

Ob es trotzdem noch Unterschiede gibt oder besondere Schwierigkeiten haben wir im Interview mit Sabrina und Martina für euch herausgefunden. 

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Hallo ihr beiden :) Könnt ihr euch bitte kurz vorstellen?

Wir sind Sabrina (33 Jahre) und Martina (30 Jahre). Sabrina arbeitet als Projektkauffrau in einem Bauunternehmen und Martina arbeitet als Sonderpädagogin an einem sonderpädagogischen Förderzentrum. Wir sind Familienmenschen und genießen jede gemeinsame Sekunde.


Wie habt ihr euch kennengelernt? 

So richtig haben wir uns im Herbst 2015 über LOVOO kennengelernt. Jedoch kannten wir uns eigentlich vom Sehen her schon länger. Wir gingen auf dieselbe Hauptschule. Jedoch waren einige Klassenstufen zwischen uns. Einige Jahre später haben wir uns wieder auf der FOS/BOS getroffen. Wir waren sogar gemeinsam auf unserer Abschlussfahrt in Berlin. Jedoch hatten wir durch die verschiedenen Klassen nicht so viel miteinander zu tun. Martina fand Sabrina bereits damals sehr attraktiv – jedoch dachte sie, dass Sabrina sich nicht für Frauen interessiert. Im Herbst 2015 haben wir uns auf LOVOO gleich erkannt und intensiv miteinander geschrieben. Nach einigen Tagen haben wir uns sofort in Würzburg getroffen. Nach 2 Tagen und Treffen waren wir unzertrennlich. Martina ist quasi sofort bei Sabrina eingezogen.

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Wie lief der Heiratsantrag ab/ Wer hat den Antrag gemacht?

Martina hat Sabrina im August 2016 einen Heiratsantrag gemacht. Bereits einige Monate davor spürte Martina, dass sie Sabrina heiraten will. Es ist zu bedenken, dass Martinas Eltern bereits seit ihrer Jugend zusammen und glücklich verheiratet sind. Sabrina ist ein Scheidungskind und hat in ihrer Familie kaum langjährige Ehen. Über das Heiraten haben wir vor dem Antrag nicht wirklich gesprochen. Unsere erste gemeinsame Zeit war Martinas Examenszeit. Der Tag der letzten schriftlichen Prüfung war auch der Tag des Heiratsantrags. Bereits in der Prüfung konnte Martina sich kaum mehr auf die Prüfung konzentrieren, da sie sich so sehr auf den Heiratsantrag freute. Nach der Prüfung wurde beim Lieblingsfloristen ein großer Strauß bunter Blumen gekauft. Sabrina hatte einen ganz normalen langen Arbeitstag und war ganz verwundert, als ihre Martina so schick und geschminkt vor ihr stand – davor war sie ja im Prüfungszustand. Sie wusste also, dass etwas anders war. Sabrina dachte, dass ich sie verführen will und wir sind zielstrebig zum Bett. Aber dort stand dann der große Blumenstrauß und Martina stellte ihr die Frage aller Fragen. Untypisch für Sabrina war, dass sie sofort antwortete – sie kann sich so schwer entscheiden. Das war das schönste JA, das Martina je gehört hat. Ab dem Zeitpunkt trug Sabrina stolz den Verlobungsring.

Wann habt ihr geheiratet?

Wir haben im August 2018 geheiratet. Wir wollten noch die Öffnung der Ehe abwarten. Als diese dann beschlossen wurde, haben wir uns an die Planung gemacht.

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Welche Unterschiede oder Besonderheiten ergeben sich in der Planung der Hochzeit/ Durchführung der Trauung bei homosexuellen Paaren?

Wir starteten unsere Planung mit einem Termin im Standesamt. Da wir bereits bei der standesamtlichen Trauung unsere Familie und auch einige Freunde dabei haben wollten, haben wir einen größeren und ganz besonderen Saal gebucht. Bei den Formularen des Standesamtes mussten wir häufig Bezeichnungen Streichen und unsere Bezeichnungen notieren. Diese waren noch nicht auf zwei Frauen angepasst. Eine kirchliche Trauung kam für uns nicht in Frage. Das wäre noch ein Unterschied gewesen. Da wir uns eine freie Trauung wünschten, konnten wir diese nach unseren Vorstellungen planen. Wichtig war uns hierfür eine schöne Lokation. Wir wollten die freie Trauung und das Fest an einem Ort haben. Somit haben wir uns auf die Suche begeben. Über eine sehr gute Freundin sind wir dann auf die ‚Holzmühle‘ gekommen. Auch von dem Besitzer wurden wir freundlich empfangen und haben keinen Unterschied verspürt.

Ein großer Unterschied war bei der Kleidung. Wir wollten beide ein weißes Kleid tragen. Somit sind wir gemeinsam losgezogen. Die meisten heterosexuellen Paare ziehen getrennt los und lassen sich überraschen. Gemeinsam mit unseren Trauzeuginnen und Eltern haben wir uns unsere Traumkleider ausgesucht, die auch harmonierten.

Gab es Komplikationen oder seid ihr auf Schwierigkeiten gestoßen?

Nein, es gab keine Komplikationen oder Schwierigkeiten. Wir haben es einfach wie Pippi Langstrumpf gemacht und uns unsere Hochzeit so gemacht, wie sie uns gefällt. Einen Vorfall gab es – aber eine wirkliche Komplikation war dieser nicht. Unser nächtlicher Taxifahrer war sehr irritiert, warum zwei Frauen in Brautkleidern in seinem Taxi sitzen. Er hat die Ehemänner vermisst und konnte es nicht glauben, dass zwei Frauen heiraten. Eine irritierende Begegnung nach einem so traumhaften Tag. Aber so haben wir ihm Einblick in eine vielfältige Welt gegeben.

Was würde eurer Meinung nach die Planung der Hochzeit zwischen Gleichgeschlechtlichen Paaren erleichtern?

Die Planung empfanden wir nicht schwerer als die Planung einer Hochzeit eines heterosexuellen Paares. Wir sind beide offene und – würden wir sagen – sympathische Menschen. Von allen Dienstleistern wurden wir freundlich empfangen. Natürlich hatten diese viele Fragen. Wir haben es eher als großes positives Interesse wahrgenommen, z.B. hat unsere wundervolle Fotografin Carolin Wohlfahrt sich extra informiert, welche besonderen Posen es für uns gibt und wie sie unsere Liebe einfangen kann. Das hat sie auch wunderbar geschafft.

 Es ist einfach wichtig, dass viel aufgeklärt und offen gelebt wird. Umso mehr die Menschen mit queeren Menschen in Kontakt kommen, umso weniger werden wir als ´besonders‘ eingestuft und umso weniger muss man irgendwas erklären.

Es wäre natürlich schön, wenn die Formulare auf uns abgestimmt wären. Ansonsten haben wir keine Verbesserungsvorschläge.

Was war euch wichtig für euren besonderen Tag?

Uns war wichtig, dass wir all unsere Liebsten Menschen bei uns haben und ein wunderbares Fest der Liebe feiern. Außerdem wollten wir einfach wir sein und jede Sekunde des Tages genießen können. Deshalb haben wir uns auch alles so ausgesucht, wie es uns gut tat.

Was war ein besonderer Moment bei eurer Hochzeit?

Ein ganz besonderer Moment unserer Hochzeit war die freie Trauung. Auf der großen Wiese neben der Mühle hatten wir am Nachmittag eine wundervolle freie Trauung, die von Martinas Tante durchgeführt wurde. Die Gäste saßen auf Heuballen im Kreis um uns und die Sonne schien für uns. Musikalisch wurden wir von einer Freundin und einem Studienkollegen begleitet, die uns mit den Liedern tief berührten. Bei uns, unserer Familie und unseren Freunden kamen die Tränen. Ein wunderbarer Moment mit unglaublich viel LIEBE.

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Habt ihr einen Kinderwunsch?

Oh ja, wir haben einen großen Kinderwunsch. Im Herbst 2019 starteten wir unsere Familienplanung, indem wir uns für eine Samenbank entschieden. Mit der Leiterin dieser Samenbank konnten wir im Februar 2020 ein intensives Gespräch führen. Die Inseminationen starteten wir dann im August 2020. Wir brauchten Geduld und viele Versuche, bis wir dann im März 2021 einen positiven Test in der Hand hatten. Nun ist Sabrina schwanger und erwartet unser Wunder.

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Auch Martina will in Zukunft schwanger werden und unsere Familie vergrößern. Im Gegensatz zu der Planung und Durchführung der Hochzeit, sind wir hier auf viele Komplikationen und Schwierigkeiten gestoßen. Hier muss sich noch viel im Sinne der Familien geschehen.

Was würdet ihr euch für gleichgeschlechtliche Paare in Bezug auf die Hochzeitsplanung für die Zukunft wünschen?

Wir würden uns für alle Paare, die heiraten wollen wünschen, dass sie in den notwendigen Formularen passend angesprochen werden. Es ist einfach nicht schön, wenn man immer etwas ändern muss.

Ansonsten wünschen wir allen Paaren, dass die Vielfalt offen gelebt wird und somit die Dienstleister etc. mehr in Kontakt mit den verschiedensten Paaren kommen. Somit wird die Vielfalt alltäglicher und die queeren Paare müssen nicht immer so viel erklären – obwohl wir das Interesse immer positiv aufgefasst haben. Es liegt teilweise auch im Auge des Betrachters, ob man das Besondere positiv oder negativ wahrnimmt. Wir beschäftigen uns lieber mit dem Positiven und setzen uns dafür ein, dass sich am Negativen etwas ändert.

Wie hat eure Familie auf eure Homosexualität reagiert?

 Martina war in ihrer Jugend mit einem Jungen zusammen. Daher waren ihre Eltern überrascht, als sie mit Frauen nach Hause kam. Sabrina haben sie jedoch sofort ins Herz geschlossen und sind sehr dankbar für sie. Auch Sabrina war in ihrer Jugend mit Jungs zusammen. Jedoch ahnte ihre Mutter schon, dass Sabrina für ihre Freundinnen mehr empfand. Somit war sie nicht so überrascht. Martina war jedoch Sabrinas erste Freundin. Insgesamt hat unsere Familie gut reagiert. Ich würde sagen, dass sie es sich mittlerweile für uns nicht anders vorstellen können und wollen. Das ist ein großes Geschenk für uns.

Wie hat eure Familie auf die Hochzeit reagiert?

Unsere Familien haben sich sehr gefreut, dass wir heiraten. Sie fanden es auch schön, dass wir eine richtige Feier mit unserer Familie und Freunden planten. Besonders war auch die Brautkleidsuche. Martinas Papa wäre am Hochzeitstag am liebsten den ganzen Tag zwischen uns zwei gelaufen und hätte mit uns ‚angegeben‘.

Sie sind einfach glücklich, dass wir uns haben und so sehr lieben.

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Wie geht ihr auf der Arbeit mit eurer Ehe um?

Wir sind beide offene und ehrliche Menschen. Authentizität schreiben wir groß. Daher gehen wir auf der Arbeit offen mit unserem Familienleben um. Einige Kollegen interessieren sich besonders für unser Familienleben und die Herausforderungen, z.B. Kinderwunsch. Somit können wir durch unsere Sichtbarkeit auch für Aufklärung sorgen.


Vielen Dank für das tolle Interview und alles Gute für eure Zukunft :)

 

Fotos: Carolin Wohlfart // Pixiedust Factory


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